Palettenstabilität

Eingestretchte Palette in Lagerhalle

Würde man die gesamte Weltbevölkerung auf Europaletten unterbringen wollen, stünde jedem Menschen ungefähr eine Fläche von 20 mal 30 Zentimetern zur Verfügung. Das Szenario ist zwar höchst unwahrscheinlich, verdeutlicht aber eines sehr klar: Die Anzahl der sich im Umlauf befindenden Paletten ist unglaublich hoch. Mit ziemlicher Sicherheit versenden auch Sie Ware auf Paletten – und die müssen stabil sein, damit alles reibungslos abläuft. Zeit also, dass Sie sich tiefergehend mit Palettenstabilität auseinandersetzen.

Wie wichtig Palettenstabilität ist, merkt man meist dann erst, wenn es schon zu spät ist. Wer kennt nicht den Ärger mit Kundenreklamationen wegen beschädigter oder eingedrückter Ware – all das ist Zeitaufwand, welcher für das Unternehmen keinen Gewinn bringt. Doch nicht nur der Kunde ist an der Stabilität Ihrer Paletten interessiert, auch der Gesetzgeber wirft seit einigen Jahren ein genaueres Augenmerk auf die Palettenstabilität im Straßenverkehr.

Der gesetzliche Rahmen

22 StVO besagt unter anderem, dass die Ladung unter Beachtung der anerkannten Regeln der Technik so zu sichern ist, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutscht, umfällt, hin- und herrollt, herabfällt oder vermeidbaren Lärm erzeugt. Als Unternehmen sollte man daher genau wissen, wie stabil die eigenen Paletten sind. In Anhang 3 der EU-Richtlinie 2014/47 wird hierzu die EUMOS-Norm 40509 aufgeführt, welche festlegt, welchen Kräften eine Ladung während des Transports standhalten können muss, um stabil zu sein. So wird festgelegt, welche Deformationen und Verschiebungen während des Transportes maximal vertretbar sind.

Bei einer EUMOS 40509-konformen Palette darf die dynamische Deformation (während des Transports, beispielsweise bei einer Vollbremsung) nicht mehr als 10%, die permanente Deformation (nach Transport messbar) nicht mehr als 5% und die Verschiebung der einzelnen Lagen nicht mehr als 2% betragen. Diese Werte, insbesondere die dynamische Deformation, lassen sich auf Beschleunigungsbänken sehr präzise messen. Eine solche findet sich beispielsweise in unserem Mobilen Testcenter. Auf Grundlage der so gemessenen Daten kann, sofern die Grenzwerte eingehalten sind, eine Zertifizierung nach EUMOS 40509 für Palettenstabilität ausgestellt werden.

In vielen Fällen werden die Grenzwerte jedoch nicht eingehalten – und das kann vielfältige Gründe haben. Denn viele verschiedene Faktoren müssen ineinandergreifen und gut zusammenspielen, damit eine optimale Palettenstabilität gegeben ist.

Als erstes ist die Primärverpackung – sofern eine vorhanden ist – von ausschlaggebender Wichtigkeit. Wenn die Ware nicht sorgfältig und sicher gepolstert im Umkarton verpackt ist, hat man nichts davon, wenn der Karton stabil auf der Palette steht. Denn auch durch Bewegung innerhalb der Primärverpackung können natürlich signifikante Transportschäden entstehen.

Zweitens muss auf das Packschema geachtet werden, nach welchem die Ware palettiert wird. Idealerweise ist eine Palette kantenbündig beladen, sprich die Kanten der äußeren Kartons bilden eine Linie mit der Palettenkante. So nutzt man den Platz auf der Palette optimal aus und strapaziert die Stretchfolie nicht zusätzlich durch Überstände. Darüber hinaus ist es von Vorteil, wenn Kartons versetzt gestapelt werden, da so zusätzliche Stabilität geschaffen wird.

Wenn die Ware nun sicher verpackt und optimal auf der Palette aufgestapelt ist, kann es an die äußere Ummantelung der Palette gehen. Hier gibt es einige verschiedene Möglichkeiten.

 

Schrumpf- und Stretchhauben

Sowohl Schrumpf- als auch Stretchhauben werden häufig eingesetzt, um Paletten zu ummanteln. Beide werden über die Palette gestülpt, wobei die Schrumpfhaube durch Einwirkung von Hitze und die Stretchhaube durch die Dehnbarkeit des Materials fest an der Palette anliegt. Obwohl die nötige Palettenstabilität so in einigen Fällen erzielt werden kann, werden Schrumpf- und Stretchhauben von Verpackungsoptimieren nicht bevorzugt eingesetzt, da sie durch ihre extreme Dicke (bis zu 200µ) sehr materialintensiv sind und so weder den Geldbeutel noch die Umwelt schonen. Mindestens die gleichen Ergebnisse lassen sich auch mit einem Bruchteil des Materials erzielen, wenn Stretchfolie verwendet wird.

 

Stretchfolie

Ob Hand- oder Maschinenfolie – die Stretchfolie ist unter allen Varianten der Palettensicherung eindeutig der bewährte Klassiker. Durch die optimierte Nutzung von Stretchfolie kann – bei richtiger Anwendung und korrekt abgestimmtem Material und Maschineneinstellung – mit minimalem Materialaufwand maximale Palettenstabilität erzielt werden. Hierbei ist nicht nur wichtig, dass die Folie selbst eine hohe Qualität hat, auch die Anwendung muss richtig erfolgen. Um diese zu optimieren, bedarf es einiger Grundkenntnis zur Funktionsweise einer Stretchfolie.

 

Das Dehnverhalten von Stretchfolien einfach erklärt

Die grundlegende Eigenschaft einer Stretchfolie ist, dass sie gedehnt werden kann – so weit so gut. Nur die wenigsten kennen aber das genaue Dehnverhalten von Stretchfolien und sind sich auch nicht bewusst, dass dieses Wissen maßgeblichen Einfluss auf die Palettenstabilität hat.

Ganz klar – im Urzustand angewendet kann mit einer Folie keine Palettenstabilität erreicht werden. Wenn die Folie überhaupt nicht gedehnt wird, hängt sie schlaff von der Palette und gibt dem geringsten Druck nach. Dehnt man die Folie nun etwas, entwickelt sie eine hohe Rückzugskraft. Dies bedeutet, dass sie zwar gedehnt ist, aber konstant versucht sich wieder zurückzuziehen – der sogenannte Federeffekt. Wird die Folie in diesem Zustand um die Palette gewickelt, kann immerhin eine mittelmäßige Palettenstabilität erreicht werden, wobei ebendieser Federeffekt dazu führen kann, dass die Ware auf der Palette zusammengedrückt wird Außerdem steckt noch signifikantes Dehnpotenzial in der Folie, sodass sie im Falle einer Vollbremsung dem Druck der Ware nachgibt – genau das Gegenteil einer stabilen Palette also. 

Stretchfolie wird gedehnt und an Palette angebracht

Nur im vollständig ausgedehnten Zustand kann mit Folie optimale Palettenstabilität erreicht werden. Hier ist der Rückzug stark abgeschwächt, und die Folie gibt möglichem Druck nicht mehr nach. Laut unserer Erfahrung im Verpackungsmarkt wickeln die allermeisten Anwender die Folie im noch nicht voll ausgedehnten Zustand um ihre Paletten, und so ist es kein Wunder, dass eingedrückte Ware ein häufiger Reklamationsgrund beim Palettenversand ist. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass viele herkömmliche Folien nicht qualitativ genug sind, um voll ausgedehnt noch zuverlässig anwendbar zu sein. Hochleistungsfolien erzielen hier jedoch hervorragende Ergebnisse und garantieren eine sehr hohe Palettenstabilität bei minimalem Verbrauch.

 

Aus der Theorie in die Anwendung

Um das Grundwissen bezüglich des Dehnverhaltens von Folien optimal anwenden zu können, müssen viele Faktoren und Erfahrungswerte mit einfließen. Einige Punkte sind jedoch grundsätzlich gültig und universell anwendbar. Besonders wichtig ist der Unterschied zwischen Standardfolien und vorgedehnten/vorgereckten Folien. Im Gegensatz zur Standardfolie ist vorgedehnte Folie bereits voll ausgedehnt, wenn man sie von der Rolle abrollt, und hat somit kein oder nur noch ein sehr geringes Restdehnpotenzial.

 

Handstretchfolie

Im Bereich der Handstretchfolie empfiehlt sich grundsätzlich keine Standardfolie, da in der Handanwendung kaum oder gar nicht das volle Dehnpotenzial ausgeschöpft werden kann. Standardfolien können um ca. 150 Prozent gedehnt werden, wohingegen bei der Handanwendung höchstens bis zu 80% gedehnt wird. Dies liegt daran, dass für die Ausschöpfung des vollen Dehnpotenzials ein erheblicher Kraft- und Platzaufwand benötigt wird, welcher in der Praxis unrealistisch ist. Hier ist die Anwendung einer vorgedehnten Folie also ideal – mit geringem Kraftaufwand kann die volle Dehnung erreicht werden und eine stabile Palette gewickelt werden.

 

Maschinenstretchfolie

Wird mit einem Stretchwickler gearbeitet, haben weit mehr Faktoren Einfluss auf die Palettenstabilität als bei der manuellen Anwendung. Wichtig ist erst einmal, ob und wie stark der Stretchwickler die Folie vordehnen kann. Ist die Vordehnung einstellbar, bietet sich Standard-, Power- oder sogar Hochleistungsfolie an, wohingegen vorgedehnte Folie für Maschinen geeignet ist, welche entweder gar nicht oder nur sehr wenig selbst vordehnen können. Da jedoch auch viele weiter Faktoren wie zum Beispiel das Packschema, eventuelle Überstände, Gewicht und Art der Ware einen Einfluss auf die Wahl der Folie und die Einstellungen des Stretchwicklers haben, ist hier eine individuelle Beratung und Einstellung des Stretchwicklers bzw. Vollautomaten durch einen Verpackungsoptimierer oder Anwendungstechniker angeraten, um eine optimale Palettenstabilität zu erzielen.

Zwei Lagerarbeiter schauen sich die Palettenstabilität an und wie man diese erhöhen kann

Fazit

Die Stabilität von Paletten ist entscheidend für den sicheren Warentransport. Hierzu sind klare Standards in der EU-Richtlinie 2014/47 festgelegt. Optimale Palettenstabilität erfordert eine geeignete Primärverpackung, ein passendes Packschema und eine geeignete Ummantelung. Höchste Palettenstabilität kann mit voll ausgedehnter Stretchfolie erzielt werden. Für die Stretchfolien-Anwendungsoptimierung bietet sich, besonders bei Maschinenfolie, die Zuhilfenahme eines Verpackungsoptimierers oder Anwendungstechnikers an, da hier viele Aspekte beachtet werden müssen. Wenn Sie auf all die genannten Aspekte achten, steht einer lückenlosen Palettenstabilität nichts mehr im Wege – für weniger Transportschäden und mehr Kundenzufriedenheit.